Ralph Gibsons Anregung hat mich gehörig aufgewühlt, auf eine Forschungsreise geschickt und energetisiert. In dieser Woche bin ich Lacan und Wittgenstein nachgegangen.
Beide haben sehr dichte Texte geschrieben. Mein Denkapparat hat ganz schön geraucht.
Es ging nur mit Begrenzung und so habe ich mich erst mit Lacan beschäftigt.
Wieder die alte Wahrheit:
Man sieht nur, was man kennt.
Ich fotografiere die Welt, wie ich sie sehe.
Ich fotografiere nur, was ich kenne.
Ralph sagte dazu: „Du wirst Deine Kamera da hin halten, wo Du sie noch nie hingehalten hast.“ Wie wahr!
Auf meiner Reise durch die Welt der Philosophie und Psychoanalyse bin ich auf verschiedene Dinge gestoßen, welche ich in Beziehung mit der Fotografie setzen konnte.
Deshalb möchte ich hier zuerst eine kleine Materialsammlung anlegen, um dann meine ersten Schlussfolgerungen und weitergehende Fragen zu formulieren.
1. Platons Höhlengleichnis
„Man denke sich Menschen, die angekettet in einer Höhle auf eine Wand schauen und nur Schatten von Dingen sehen, von denen sie jedoch glauben, sie seien die Wirklichkeit, weil sie nichts anderes kennen. Wird einer dieser Menschen von den Ketten befreit und wagt es, aus der Höhle heraus zutreten, so wird er die wahren Ursachen der Schatten erkennen. Kehrt er zurück und will den anderen von seiner Entdeckung erzählen, so wird er von diesem verlacht, da seine Erzählung nicht dem entspricht, was sie täglich wahrnehmen.“ (aus Jonas Pfister, Philosophie, Reclam 2011, S. 17-18)
2. Lacans „Im Banne des Spiegels – „Ich ist ein anderer“
Jeder Mensch wird sich unter tausend Bildern von Gesichtern selbst erkennen, er weiß um seine Gestalt.
Ich weiß nicht nur um meine Gestalt, ich weiß auch wie ich mich von anderen unterscheide, was ich denke und will, wie ich meine Beziehungen und Lebenswelten gestalte.
„Das sich seiner selbst bewußte „Ich bin, der ich bin“ wird erst dann zum Problem, wenn man fragt, auf welcher Wirklichkeit sich das, was das Subjekt über sich weiß, und das, worin es sich zu erkennen glaubt bezieht.
Mit anderen Worten: ob sich alles was es darüber weiß, auf diese – und auf keine andere – Wirklichkeit bezieht.
Dieser Art des Fragens bedient sich Lacan und geht damit den Weg, den Freud um die Jahrhundertwende mit seiner Traumdeutung erschloß.“
(Gerda Pagel, Jacques Lacan – zur Einführung, Junius 1989, S. 22)
Lacan erkennt „Das Ich ist nicht das Ich.“
Hierin liegt für ihn die grundlegende Erfahrung der Psychoanalyse.
Nämlich: Hinter dem für uns bekannten Ich mit all seinen Sehnsüchten, Träumen, Zielen, Problemen, Beziehungen, Verzweiflungen, gibt es noch etwas was für uns nicht fassbar ist.
Es kommt noch eine andere Person (in der Psychoanalyse Subjekt) zum Vorschein.
Dieses andere Subjekt, dass Unbewußte, welches sich in der Sprache bzw. der Rede des Menschen verbirgt, soll entschlüsselt werden.
Hier entwirft Lacan einen faszinierenden Gedanken:
Wenn das Kind sich zum ersten Mal im Spiegel erkennt, entwirft es ein Bild von sich selbst.
Die Projektion seiner eigenen Oberfläche.
Von diesem Zeitpunkt an, bildet sich der Selbstbezug heraus und der Mensch entwirft sich eine Welt, ausgehend von seinem (Spiegel-)Bild, gültig in seiner eigenen Wirklichkeit.
Die nicht akzeptablen, frustrierten Aspekte der Person verschwinden aus diesem Bild oder werden erst gar nicht eingebaut.
Vor allem, ist es das Begehren, was in das Unbewusste verschoben wird. Und dieses Verlangen wird nicht bewusst, sondern unbewusst in den Lebensvollzug eingewoben.
3. Phänomen des Selfies
Ich laß diese Woche in einer Zeitung, dass „Selfie-Sticks“ zukünftig in vielen Museen verboten sein werden.
So wurde mir noch einmal der Hype um sich selbst und seinem Vollzug im Selfie bewußt.
4. Andrew Agassi
In einer Canon Werbung sagte einmal Andrew Agassi: „The image is everything!“
Pantha Rei – “alles fließt”, gesteht Heraklit einmal ein. Heute fließt nicht nur alles, ich will hier schon von Auflösung sprechen.
Auflösung des Ich in einer verwirrenden Komplexität globalisierter Zusammenhänge führt zu einer bestärkenden Sehnsucht nach festen und sicheren Haltegriffen im Leben.
Genau hier erlebe ich die Bedeutung des Selfies.
Die Freiheit der täglich neuen Selbsterfindung ist auch eine Last des ständigen sich selbst Grund sein.
Erinnerung hat hier wesentliche Bedeutung.
Meine Mutter hat mein Kleinkind Gebrabbel auf Tonband aufgenommen und Karl der Große hat seine Geschichte dem Vertrauten Einhard übergeben. Im Selfie sagt der Mensch: Ich bin und ich war hier (im Reisejournal von Moleskine gibt es hierfür sogar einen vorgefertigten Papierpfeil).
In einer Welt, die sich mit den Oberflächlichkeiten zufriedenstellen mag, ist die Aufrechterhaltung eines Bildes von wesentlicher Bedeutung – “image is everything”.
Eine dahinter liegende Ahnung vom Unbewussten, von Begierden, welche das Leben antreiben, überfallen uns dadurch immer wieder in unserem Alltag. Wir verlieren sie nicht, wir lassen uns selbst nicht im Stich und in die Dunkelheit laufen.
Unsere durch Tod bedrohte Existenz wird geborgen in der sichtbaren Existenz von Bildern, Darstellungen unserer Schatten an der Höhlenwand (Platons – Höhlengleichnis), späte Manifestationen des Spiegels, in dem wir uns seinerzeit zum ersten mal sahen. Ein Anblick für den wir keine Worte finden, mit dem wir uns jedoch identifizieren.
Obschon wir nicht sicher sein können, dass wir uns selbst auf dem Handybildschirm sehen, verschwinden diese Bilder unseres gespiegelten Selbst, der Projektion des Spiegels, im digitalen Nirvana. Reproduzierbarkeit in diesem Sinne lebt vor allem von der Wiederholung.
Das (mehrfach) tägliche Selfie, bestätigt unsere Existenz und verliert so schnell an Bedeutung. Ergibt sich hier die Sicherheit aus der Masse der Bilder, oder aus der Tätigkeit des Fotografierens. Auf welche meiner multiplen Wirklichkeiten bezieht sich mein Bild?
Was kann ausgedrückt werden, was gesagt und wer hört zu?
Habe ich eine Stimme für mich selbst, oder sind die Bilder sprachlose, stumme Schreie oder Jubelrufe.
Um eine erste Brücke zu Wittgenstein zu schlagen, von dem der wunderbare Ausspruch stammt (er beschließt seinen „Tractatus logico-philosophicus“):
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
In der Philosophie ist es gute Sitte, Fragen zu stellen, weil Antworten fehlen.
Dieses fragende Erforschen kann ich nur in den Dialog mit mir selbst, meiner Rezeption der Welt und meinem fotografischen Ausdruck bringen.
Die Fragen die sich mir (vorläufig) aufzeigen lauten:
Wenn die tief sitzende Begierde nach Leben, nach einem fassbaren Selbst, die Motivation des Bildes ist. Welche Rückmeldung gibt das Bild dann dem Abgebildeten und was spricht das Bild dem Fotografen ins Ohr?
Wie kann ich dies in photographische Kraft umwandeln?
Welche Begierden lassen wir zu, welche zensieren wir, was kann trotzdem gezeigt werden, was will gleichwohl gesehen werden?
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