Philosophie

Wovon sprechen meine Bilder?

In den letzten Monaten, während ich dem Projekt „Wohin die Welt nicht folgt“ nachging habe ich mich ausführlich mit der monastischen Spiritualität, der Theologie und Philosophie beschäftigt.
Ich fragte mich nach dem Woher meiner fotografischen Auseinandersetzung und ein wenig auch nach dem Wohin
Damit war ich bei meiner Existenz angekommen.

Bei Heinrich Schmitz fand ich Fragen, welche die Menschheit sich seit ihrem Bestehen stellte und die ihren Ausdruck in der Kunst und Literatur, im Denken und Reden herausragender Menschen fanden.

Wir sind Sichbesinnde Wesen. Wir kämpfen mit den Beirrungen die uns begegnen.

Welche Fragen bewegen mein Sichbesinnen:

Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Was geht mich an?
Was soll ich ernstlich wichtig nehmen?
Was darf ich übergehen?
Was kann ich mir zutrauen?
Kann ich mich führen lassen?
Woher kommt mir der Mut, trotz Tod, Schuld und Not weiterzuleben?
Wer bin ich selbst über das mir zugetragene hinaus?
Bin ich derselbe wie jemand der einmal war und wie jemand der einmal sein wird?
Wenn ich glaube, dass ich etwas bin, worin besteht, das ich es bin?
Wie kann ich mit meinen Begrenzungen leben, wie sie dehnen?
Wie kann ich der sein, der Ich bin?

Darüber hinaus:

Gibt es einen Gott?
Wo ist er zu finden?
Wer ist Gott für mich?
Kann ich auf ihn meine Hoffnung bauen?

Darüber hinaus:

Wie ist er zu suchen?

Darüber hinaus:

Was ist ein Kloster?

Was ist die Stille?

Was ist das Gebet?

Was ist ein Mensch?

Von Augustinus ist uns das folgende Wort überliefert:

Wir suchen Gott, weil er uns zuerst gesucht und gefunden hat.

In dieser Suche, als Mensch, als Fotograf, mit meinen Bildern, bin ich – sind wir – beides:

Angekommen und auf dem Weg,

Suchend, findend und weiter suchend.

Hiervon sprechen meine Bilder.

Ich schreibe, um herauszufinden was ich denke.

Die Überschrift zu diesem Artikel ist der Titel eines Buches von Susan Sontag, indem Sie ihre Tagebücher veröffentlicht hat. Mir gefällt die Idee und Anregung, herauszufinden was ich denke.
Aber weiß ich denn nicht was ich denke? Ich habe festgestellt, daß ich das nicht immer weiß, bzw. manchmal zum Nichtdenken neige.
Oder mein Denken neigt zu einer gewissen Ungenauigkeit. Ich habe oft keine Zeit Dinge zu Ende zu denken oder zu überprüfen.

Nach meinem vorletzten Blogbeitrag über Selfies habe ich mir intensiv Gedanken über die Bedeutung von Kunst und Fotografie, Denken und Fühlen gemacht und den Halt den diese Aspekte unseres Lebens, darstellen.

Mich beschäftigte die Frage, warum ich überhaupt fotografiere, welchen Sinn sich für mich daraus ergibt.
Ich identifiziere für mich 2 wichtige künstlerische Aktionen innerhalb der Fotografie.
1. Der Akt des Fotografierens. Ich setze mich intensiv mit dem Motiv auseinander, komme zur Ruhe, treffe künstlerische Entscheidungen zu Bildkomposition und Belichtung, ein kontemplatives Tun.
2. Der Akt der Bildentwicklung in der digitalen Dunkelkammer. Hier entscheide ich mich nach ästhetischen und technischen Kriterien, um das Bild zu erzeugen, was ich im Sinn hatte oder was gerade vor mir entsteht, denn nicht immer habe ich das Bild schon im Sinn gehabt.
Die Entscheidung ob ein Bild gut ist, ich die Verantwortung für mein Werk übernehmen kann, geht über den technischen Anspruch hinaus und ist mit der Frage geknüpft ob ich meine emotionale Idee wieder finde.

Die Kreativität, den Impuls zum Ausdruck und der Wunsch zu teilen halte ich für eine ontologische Grundbedingung.
Sören Kierkegaard sagt hierzu: „Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält,…“ Wir verhalten uns zu uns Selbst, sprich wir unterhalten eine Beziehung zu uns selbst.

Ich habe schon immer einen Hang zu guten Geschichten gehabt und mich hat immer wieder verwundert wie Menschen ihr Leben begreifen und welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen. Es ist so wie Goethe sagt, dass jeder das Geheimnis, mit ins Grab nimmt, wie es ihm möglich war zu überleben.
Dieses Geheimnis hat mich immer interessiert.
Das ich die Möglichkeit habe Fragen nach meiner Existenz zu stellen, nach dem Sinn zu suchen, ohne ihn gleich zu finden, habe ich auch tröstlich empfunden.

In den letzten Wochen habe ich mit einem Freund, der selbst studierter Philosoph ist, über die Philosophie, vor allem ihre Bedeutung für die Welt und die Menschen auseinandergesetzt.

Er hat mir gute Hinweise zur Philosophie gegeben und grund-legende Anregungen zum Werk Wittgensteins.
Vor allem hat er mir die Bedeutung der Fragen und Antworten in der Philosophie dargelegt.

Im Diskurs mit meinem Freund zitierte er einen schönen Text:

Martin Heidegger schreibt in seinem Buch „Sein und Zeit“:
„(…) Haben wir heute eine Antwort auf die Frage nach dem, was wir mit dem Wort „seiend“ eigentlich meinen? Keineswegs. Und so gilt es denn, die Frage nach dem Sinn von Sein erneut zu stellen. Sind wir denn heute auch nur in der Verlegenheit, den Ausdruck „Sein“ nicht (sic!) zu verstehen? Keineswegs. Und so gilt es denn vordem, allererst wieder ein Verständnis für den Sinn der Frage zu wecken. Die konkrete Ausarbeitung der Frage nach dem Sinn von „Sein“ ist die Absicht der folgenden Abhandlung.(…)“

Dies soll Grundlage alles weiteren sein.

Die Philosophie ist ein kritischer Kommentar zu Menschheitsgeschichte oder wie ich in einem Buch las, ein Gespräch über Zeiten und Generationen hinweg, zu den Fragen der Menschen.
Dieser epische Aspekt hat mir sehr gut gefallen.
Welche Fragen stelle ich mir? Welche Antworten habe ich?
Wie zeigt sich dies in meinen Fotografien?

Die Fragen Immanuel Kants haben mich sehr bewegt.

Was kann ich wissen?

Was soll ich tun?

Was darf ich hoffen?

Was ist der Mensch?

In diesem Fragen finde ich mich mit meinem Sein wieder, nochmal auf andere Art aufgefangen als ich dies aus meinen bisherigen Studien kenne.

Mit Irvin D. Yalom setzte ich mich in den letzten Jahren ebenfalls auseinander. Er hat die Psychotherapie durch sein epochales Werk „Existentielle Psychotherapie“ um die existentiellen Fragen bereichert.
Yalom stellt folgende Thesen zur Debatte.

Ich werde sterben.

Ich bin frei.

Ich bin isoliert.

Es gibt keinen Sinn.

Ich verstehe, dass der Mensch schon immer auf der Suche nach Antworten auf Fragen zu seiner Existenz war.
In der Kunst ging es immer um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sein, der Einbettung in eine geheimnisvolle, auch gefährliche Welt und um die Frage was die Welt mir sagt und welche Antwort ich auf diese Welt finde. Was kann ich über meine eigene Bedeutung wissen, was kann ich geben und welche Beziehung habe ich zu dieser Welt.

Ich denke hier sofort an die Venus von Willendorf, oder die Höhlenmaler der Steinzeit über die antike Kunst, die großen Meister wie Rembrandt, Picasso, bis hin zu Andy Warhol und Michael Kenna.

Was kann ich über mich an die Decke ein Höhle malen, meine Existenz bestätigend und als Spiegel des Nachdenkens über mich selbst.
Was kann ich sagen, über meine Beziehung zu anderen Menschen, zu meiner Mitwelt, zu Fragen der Spiritualität, deren Ausdruck in Architektur und der menschlichen Suche nach Halt und Verbundenheit, nach einem Gott einer Transzendenz. Was ist meine Antwort, was sind meine Fragen.

Was für Bilder macht Stefan Hahn?

Zurück zu Susan Sontag: Ich schreibe, um herauszufinden was ich denke.

Ich fotografiere, um herauszufinden wer ich bin.

Ich fotografiere, um Fragen zu stellen.

Ich fotografiere, um Antworten zu geben.

Ich fotografiere, um mich immer präziser auszudrücken.